Lyrik

Liebe 

Ich liebe wie die Zeit die Uhr 
und ich liebe
wie der Kamm das Haar.

Ich liebe
wie eine Wand den Winkel, das Boot den Steg.
und ich liebe den Wurf,  die Falten
und den Gang zum See.

Ich liebe die Hochzeit der Vögel
den Gesang der Schwäne 
und ich 
liebe den Klang wie ein Stimme 
die Liebe sagen kann. 

Ich liebe den Wind in den Bäumen
wie das Klirren von Geschirr 
den Klang von Fremden ohne ein Wort zu verstehen.    

Ich liebe den Irrtum und die Logik dazu.
Ich liebe das Fallen und das Aufstehen danach.
und ich liebe den Donner wie ein Blitz 
die Wolken, die sieben Brücken zum Gehen.

Ich liebe  
wie ein Kasten das Besteck
das Bett die Matratze liebt
liebe ich Schokolade und den Schmerz. 
Den Sturm die Brandung 
die Sehnsucht die Erlösung und  

ich liebe 

die Vergebung wie der Kummer die Tränen. 

Ich liebe die Nacht vor dem Morgen 
den Weizen im Schnee,

Ich liebe die Krume, wie der Käfer die Kartoffel 
ich liebe die Not 
und den Maikäfer, der fliegt. 

Ich liebe den Moment wie den Lidschlag
ich liebe das Herz wie alle seine Kammern 
und das Salz im Meer. 

Ich liebe den Hals der Schlinge 
die Schlange das Kriech 
ich liebe mein Atmen und mein Wollen 
ich liebe mein Weh.
ich liebe das Leben weil das Leben mich gibt
 
Ich liebe das Viele, das Wenige das auch.  
Ich liebe zu lieben 
und das Aus und Einatmen,  
das auch. 


24.09.2023
 


Liebender Elefant

Und wenn die Angst den Brunnen verwüstet,  
das Trinkenkönnen ausbleibt und jede Hand hinter dem Rücken verschwindet, der Adler dazu weint.

Über soviel Ungeteiltsein kommt kein Elefant hinweg.  

Und wenn Gletscher weinen.
Die Sterne am Himmel durch Star Link ersetzt sind. 
Der Mann im Mond Sonnbrille trägt.   
Und wenn die Straßen aufbrechen,  
den Häusern Geröll unterspülen. 
Die Ziegel fallen. Das Zinnoberrot ausläuft.  

Alle Katastrophen ausgerufen sind.  
Es sich nie mehr lohnen kann 
zu atmen. 

Auch wenn die Feuerwehr personell unterbesetzt ist.  
Aber Soldaten neue Uniformen tragen und  
digitale Funkgeräte erhalten, die nicht einbaufähig sind.
Selbst wenn die Flüsse aufwärts fließen
Hasen Jäger schießen,  
selbst wenn es in Kurven geradeaus geht,

es heißt wir können nichts tun   
außer das, was wir tun
 
atme ich den durchziehenden Schrecken
weil er mich eh schon ergriffen hat
 
und ich atme mich aus 
in Liebe atme ich mich aus 
und ich tue es für mich 
für dich 
den Gletscher, 
die Soldaten, 
die Hungernden, die durstig sind  
und für den Brunnen, 
für den Adler, er kann weiter fliegen.    
Die Häuser. Sie können dann wieder Schutz und Geborgenheit sein. 
Das Zinnoberrot. Es geht in jeden Ziegel. 

Und für jede Hand hinter jedem Rücken 
die nach vorne kommen 
um sie 
jemandem zu reichen. 

Wie reich 
du bist!
Wie reich bin ich!
mit unseren Händen
wenn sie in Liebe gebadet sind. 

Sagte ein kleiner Elefant
bevor er weiterging. 

Er wusste ja gar nicht, dass er ein Elefant ist. 
Aber toll ist das ganze trotzdem!  

30.09.2023

   
 
    
     

          

Widerruf  08.10.2010

Ich habe gegen die Schönheit 
der Blumen
den Grashalmen habe ich keine 
Bedeutung
den Gewittern keine
Ehrfurcht 
geschenkt.
Gegen den Himmel getreten
und den Nachbarn habe ich
Sachen 
unterstellt.

Andere Menschen in die Lächerlichkeit
platziert. Meine Natur verwüstet.  Zorn, Wut gehalten 
wie
Zierfische 
im Aquarium des Leidens.

Niemals 
habe ich den Boden geküsst 
weil ich den Staub
unter meinen Füßen
für Dreck
hielt
und mich 
nie tiefer beugen wollte 
als zu mir. 

Ich habe gegen die Schönheit der Blumen
verstoßen
darüber 
niemals Tränen 
vergossen.

Aber jetzt.  


Briefe 

1
„Hallo“ rief Hans, zog den nassen Mantel aus und bugsierte ihn über die Garderobe. Der Mantel tropfte. Hans war nur wenige Meter vom Auto hierher gegangen, dafür aber in einen Platzregen gekommen. Katrin hatte überhaupt nicht mit Hans gerechnet, nicht Heute, nicht Morgen. 
Schnell ging sie  in ihre Küche, rief Hans zu, er solle sich  im Bad ein Handtuch nehmen. In der Küche suchte sie das ganz besondere Kaffeeservice, die zierlichen Tassen mit dem schmalen golden Rand und den verspielten Ornamenten. Sie machte Schränke auf und zu, schaute oben, bückte sich, schaute unten, ging in die Vorratskammer nahm eine ganz frische Packung Kaffeebohnen, die sie in die Kaffeemühle geben wollte gleich mit. Aus der Kartonage nahm sie das Kaffee-Service heraus. Zwei Tassen. Und die Zuckerdose? Katrin strich, zurück in der Küche angekommen, ihre schwarz-weiß gestreifte Bluse glatt. Sie fragte sich von ihrer Perfektion gezwungen, wie Hans seinen Kaffee trinkt, das müsse sie doch wissen. Um so eiliger schüttete sie einige Kaffeebohnen in eine große Tasse, dann in die Mühle.
„Ich nehme meinen Kaffee schwarz.“ hörte Katrin in ihren Grübelgedanken die Antwort von Hans. Seine dunkle  Stimme weckte Erinnerungen. Hans hatte sich inzwischen  am Türrahmen angelehnt, das Handtuch legte er auf die Anrichte und er drehte ein wenig am Radio. Leise sprach eine Moderatorin. Hans hielt einen kleinen Strauß Blumen in der Hand.

„Wo ist dein Mann?“ 

Katrin schüttelte ihren Kopf. Das Mahl-Programm endete abrupt. Der Deckel sprang auf und  ein  winzige Menge Kaffeepulver rieselte  dabei  auf  die  Anrichte.   Übervorsichtig gab sie  das gemahlenes Kaffeepulver in die Espressomaschine und knipste den Herd an. Hans hustete. Sie schaute zu ihm, ihre Blicke trafen sich kurz und die bekannte Spannung trat wieder auf. Ein teerschwarzes siedende Gebräu quoll inzwischen über den Rand der kleinen Maschine. 
„Vorsicht, heiß.“ Er kam näher und griff nach Katrins Arm und zog sie aus der Küche in Richtung Flur.

„Komm, wir gehen hoch!“ Er schob Katrin in Richtung Treppe. 

Während die Treppenstufe wie  langsam schmelzendes Kerzenwachs nachgiebiger wurde, schauten beide sehnsüchtig nach oben. Dort war der Wohn- und Schlafbereich, der Balkon, das Erkerzimmer und das taubenblaue Bad mit den Vorrichtungen. - Ob sie es jetzt noch schaffen würden dort hin zu kommen? 

2
„Endlich!“ riefen alle Wörter laut. Alle waren auf dem vergilbtem Papier vor Jahren handschriftlich verfasst worden. Jetzt stapelten sie sich übereinander wie filigrane abgebrochene Äste, die von Sträuchern fallen. Die Schriftzüge hoben sich vom Briefpapier ab, verformten sich zu kleinen Gebilden, die ganz neue Zeichen schlängelnd in die Luft schrieben.

„Ich liebe es wie du riechst“! rief ein Hauptsatz, der aus dem Kuvert sprang, sich zu einem Krakel formte, ganz kurz dreidimensional zu sehen war, sich drehte, im Kreis betrunken vor Glück sogar drehte. Ein anderer Satz, Katrins Handschrift auf kariertem Papier: „Ich möchte mit meinem Mund immer nah bei Dir sein.“ - verfärbte das  Papier noch während die Worte sich selbst flüsternd rezitierten von hellrot in dunkelrot. Der Satz schien erschrocken über das Ausmaß der Bedeutung. Und die Stelle das Papiers verbrannte sofort. Die Worte konnten ihren Platz nicht mehr einnehmen. 

Vom Erkerzimmer drang Rauch in Richtung Treppe. 

Ein einziges Wort schwamm in einem Meer aus Metaphern. Es war nackt, spreizte silbrige Flossen aus, ganz Teil einer Delphinschwimmmeisterschaft geworden, Meer überall das Meer, Wasser, Gischt, Wetter und Wolken. Möwen. Es blickte aus der geöffneten Umschlagfalte, direkt in die Gefühlssphären von Hans und Katrin. 
Aus der Ferne hörte man, jemand spielte Klavier.

03.03.2023