Lyrik

hoffnung   12.11.2016

du mainstream
süßer saft. schmeckst neonranzig nach 
zerstreuten. deine betäubnis.
und   
meine zunge schmeckt 
des lebens kein wasser
des lebens

der zeitgeist
ist giftig. ich verwerfe  
mich
beiße in den grünlackigen boden
denke an natur 
zurück
ach
meine religion heisst schon verwissen. 

ich 
breche mich selbst
den
stab und den stecken. knote 
den verbeulten hintergrund
zu 
rauschenden tönen.    
Widerruf  08.10.2010

Ich habe gegen die Schönheit 
der Blumen
den Grashalmen habe ich keine 
Bedeutung
den Gewittern keine
Ehrfurcht 
geschenkt.
Gegen den Himmel getreten
und den Nachbarn habe ich
Sachen 
unterstellt.

Andere Menschen in die Lächerlichkeit
platziert. Meine Natur verwüstet.  Zorn, Wut gehalten 
wie
Zierfische 
im Aquarium des Leidens.

Niemals 
habe ich den Boden geküsst 
weil ich den Staub
unter meinen Füßen
für Dreck
hielt
und mich 
nie tiefer beugen wollte 
als zu mir. 

Ich habe gegen die Schönheit der Blumen
verstoßen
darüber 
niemals Tränen 
vergossen.

Aber jetzt.  


Briefe 

1
„Hallo“ rief Hans, zog den nassen Mantel aus und bugsierte ihn über die Garderobe. Der Mantel tropfte. Hans war nur wenige Meter vom Auto hierher gegangen, dafür aber in einen Platzregen gekommen. Katrin hatte überhaupt nicht mit Hans gerechnet, nicht Heute, nicht Morgen. 
Schnell ging sie  in ihre Küche, rief Hans zu, er solle sich  im Bad ein Handtuch nehmen. In der Küche suchte sie das ganz besondere Kaffeeservice, die zierlichen Tassen mit dem schmalen golden Rand und den verspielten Ornamenten. Sie machte Schränke auf und zu, schaute oben, bückte sich, schaute unten, ging in die Vorratskammer nahm eine ganz frische Packung Kaffeebohnen, die sie in die Kaffeemühle geben wollte gleich mit. Aus der Kartonage nahm sie das Kaffee-Service heraus. Zwei Tassen. Und die Zuckerdose? Katrin strich, zurück in der Küche angekommen, ihre schwarz-weiß gestreifte Bluse glatt. Sie fragte sich von ihrer Perfektion gezwungen, wie Hans seinen Kaffee trinkt, das müsse sie doch wissen. Um so eiliger schüttete sie einige Kaffeebohnen in eine große Tasse, dann in die Mühle.
„Ich nehme meinen Kaffee schwarz.“ hörte Katrin in ihren Grübelgedanken die Antwort von Hans. Seine dunkle  Stimme weckte Erinnerungen. Hans hatte sich inzwischen  am Türrahmen angelehnt, das Handtuch legte er auf die Anrichte und er drehte ein wenig am Radio. Leise sprach eine Moderatorin. Hans hielt einen kleinen Strauß Blumen in der Hand.

„Wo ist dein Mann?“ 

Katrin schüttelte ihren Kopf. Das Mahl-Programm endete abrupt. Der Deckel sprang auf und  ein  winzige Menge Kaffeepulver rieselte  dabei  auf  die  Anrichte.   Übervorsichtig gab sie  das gemahlenes Kaffeepulver in die Espressomaschine und knipste den Herd an. Hans hustete. Sie schaute zu ihm, ihre Blicke trafen sich kurz und die bekannte Spannung trat wieder auf. Ein teerschwarzes siedende Gebräu quoll inzwischen über den Rand der kleinen Maschine. 
„Vorsicht, heiß.“ Er kam näher und griff nach Katrins Arm und zog sie aus der Küche in Richtung Flur.

„Komm, wir gehen hoch!“ Er schob Katrin in Richtung Treppe. 

Während die Treppenstufe wie  langsam schmelzendes Kerzenwachs nachgiebiger wurde, schauten beide sehnsüchtig nach oben. Dort war der Wohn- und Schlafbereich, der Balkon, das Erkerzimmer und das taubenblaue Bad mit den Vorrichtungen. - Ob sie es jetzt noch schaffen würden dort hin zu kommen? 

2
„Endlich!“ riefen alle Wörter laut. Alle waren auf dem vergilbtem Papier vor Jahren handschriftlich verfasst worden. Jetzt stapelten sie sich übereinander wie filigrane abgebrochene Äste, die von Sträuchern fallen. Die Schriftzüge hoben sich vom Briefpapier ab, verformten sich zu kleinen Gebilden, die ganz neue Zeichen schlängelnd in die Luft schrieben.

„Ich liebe es wie du riechst“! rief ein Hauptsatz, der aus dem Kuvert sprang, sich zu einem Krakel formte, ganz kurz dreidimensional zu sehen war, sich drehte, im Kreis betrunken vor Glück sogar drehte. Ein anderer Satz, Katrins Handschrift auf kariertem Papier: „Ich möchte mit meinem Mund immer nah bei Dir sein.“ - verfärbte das  Papier noch während die Worte sich selbst flüsternd rezitierten von hellrot in dunkelrot. Der Satz schien erschrocken über das Ausmaß der Bedeutung. Und die Stelle das Papiers verbrannte sofort. Die Worte konnten ihren Platz nicht mehr einnehmen. 

Vom Erkerzimmer drang Rauch in Richtung Treppe. 

Ein einziges Wort schwamm in einem Meer aus Metaphern. Es war nackt, spreizte silbrige Flossen aus, ganz Teil einer Delphinschwimmmeisterschaft geworden, Meer überall das Meer, Wasser, Gischt, Wetter und Wolken. Möwen. Es blickte aus der geöffneten Umschlagfalte, direkt in die Gefühlssphären von Hans und Katrin. 
Aus der Ferne hörte man, jemand spielte Klavier.